Es ist eine faszinierende Idee einer Welt ohne Waffen und fossiler Energien – gerecht und friedlich für alle Menschen. Diese Vision entwirft Christian Buske in seinem Roman „Anninarra“, einer Utopie der „Zukunft als Möglichkeit“. Ressourcen sind in dieser Welt gleichmäßig auf alle Menschen verteilt und die fundamentalen Probleme, die auch die Gesellschaft unserer Gegenwart prägen, scheinen bereits überwunden. Doch auch „Anninarra“ bleibt, wie jede Utopie, nicht ohne Herausforderungen, was dem Roman eine interessante Tiefe verleiht.
Besonders beeindruckend ist die Idee einer Welt, die auf Gleichheit fußt. Der „Weltvertrag“, der die gleichmäßige Verteilung von Ressourcen gewährleisten und manifestieren soll, steht als kraftvolles Symbol für das Streben nach globaler Gerechtigkeit. Im Mittelpunkt der Handlung stehen die beiden Protagonisten Julia Avalux und Pathein U Tin, die die Verwalter der letzten Waffen aller Länder sind, die jetzt in Anninarra eingelagert werden. Die Beiden sind die Hüter des Friedens. Doch selbst in dieser scheinbar perfekten Welt regt sich Widerstand. Die überraschende Wendung, als eine Gruppe beginnt, eigene Rechte in einem separaten Staat auf dem Gebiet Anninarras einzufordern, verleiht der Geschichte Dynamik und lässt die anfänglich makellose Utopie in eine lokale Dystopie kippen.
Buske gelingt es, die Parallelen zur realen Welt subtil herauszuarbeiten. Gesellschaftliche Diskussionen, die uns heute umtreiben – wie die Flüchtlingskrise oder der Ruf nach offenen Grenzen – spiegeln sich in der Handlung wider. Besonders in der Figur des Widerstands lässt sich die Rückwärtsbewegung einer offenen Gesellschaft beobachten, die im Roman eine bedrückende Realität wird. Während die Welt in „Anninarra“ viele Freiheiten bereits selbstverständlich zu leben scheint, streben manche nach einer Rückkehr zu vergangenen, autoritären Strukturen – sie verpacken diese unter dem Deckmantel einer Art Basisdemokratie, wie dies auch aktuell einige politische Akteure versuchen. Dieser Kontrast zwischen Freiheit und Unterdrückung sowie die Frage, wie unterschiedlich Menschen Freiheit definieren, ist einer der spannenden Aspekte des Buches.
Allerdings bremst sich der Roman gelegentlich selbst aus, insbesondere im ersten Drittel. Er verliert sich streckenweise in einer Überfülle an erklärenden Passagen der utopischen Welt, die der Erzählung etwas von ihrer Kraft nehmen. Hier wäre weniger möglicherweise mehr gewesen – das geschickte Andeuten und Auslassen, das Leser selbst interpretieren lässt. Zwar ist der Erzählstil insgesamt geradlinig und leicht zugänglich, doch hätte eine nuanciertere, vielschichtigere Erzählweise der Geschichte noch mehr Tiefe geben können.
Trotz seiner klaren Botschaft gelingt es „Anninarra“, nicht in Kitsch zu verfallen. Der Roman bleibt geerdet und zeigt konstruktiv auf, dass Fortschritt nicht nur in der Überwindung von Problemen, sondern auch im Erhalt erkämpfter Freiheiten liegt. In einer Zeit, in der viele Romane sich den Schattenseiten unserer heutigen Gesellschaft widmen, tut es gut, eine positive Vision zu lesen, die zeigt, dass eine bessere Welt möglich ist – auch wenn der Weg dorthin wohl nicht konfliktfrei verlaufen wird.
Buske liefert mit „Anninarra“ nicht nur eine Utopie, sondern auch eine Mahnung: Es ist eine Erinnerung daran, dass die Errungenschaften, die wir für selbstverständlich halten, stets aufs Neue verteidigt werden müssen. Gerade in Deutschland, wo wir in stabilen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen leben, sollte der Wert von Freiheit und Gleichheit nie aus den Augen verloren werden.
Christian Buskes „Anninarra“ ist ein lesenswerter Roman, der zum Nachdenken anregt und durch seine Vision einer gerechteren Welt nachhaltig inspiriert.
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